Über 100 Interessierte aus der Vorarlberger Startupszene trafen sich am Dienstag, den 19.11.2019 beim Startupland Frühstück November in der neuen Postgarage zum Frühstück. Das Frühstück lockte viele Neugierige in die neuen, alten Hallen der umgebauten Postgarage, dem Treffpunkt und Anlaufstelle für Startups und Freiraum für Innovation.

Spannendste Einblicke in seine Erfahrungen zwischen Startup und Konzern, den Aufbau vom hauseigenen Konzern-Startup und die Herausforderungen, die solche Projekte mit sich bringen bot Guntram Begle, im Interview mit Alex Thurnher. Er bot faszinierende Einblicke in die Innovationskultur und unterschiedlichen Arbeitsweisen und Kooperationsmöglichkeiten zwischen Startups und Großunternehmen und gab den Besuchern Anregungen und Tipps mit.

 

Zwischen Startup und Corporate: Vom CTO zum Startup Team

Der Vorarlberger Guntram Begle war jahrelang CTO (Chief Technology Officer) vom Schweizer Großkonzern Schindler Aufzüge, bevor er Teil des hauseigenen Startups-Teams war und das Startup mit aufbaute. Er fungierte dabei auch als Bindeglied zwischen Innovationsabteilung des Konzerns und internen, sowie externen Startups.

Immer schon umtriebig, war er zuvor in verschiedensten Positionen tätig, auf allen Kontinenten unterwegs. Bis zum CTO, von wo er “Unternehmensentscheidungen mitprägen durfte”, wie Guntram selbst bezeugte. Doch damit nicht genug.

Nicht im sechsten Gang in die Garage fahren

Das war sein credo, er wollte vor der Pensionierung noch wirklich etwas bewirken und erschaffen. Noch mehr kann man sich fragen. Begle meinte dazu nur: “Ich wollte am Schluss etwas mit weniger Druck machen, etwas umsetzen, Erfahrungen weitergeben und den nächsten innovativen Schritt mitgehen”.

Im Konzern einfach mal machen, obwohl das ”viel zu einfach klingt”. So wurde der Schritt zum hauseigenen Startup gemacht. Ein Team aufgestellt mit sieben internen und 60 neu rekrutierten externen Mitarbeitern. “Wenn wir etwas machen, dann richtig und gescheid”. 

Plötzlich Startup

“Meine Welt hat sich um 180 Grad gedreht, als ich im Startup-Team startete”. Die Unterschiede zwischen den Unternehmenskulturen war vom ersten Tag an sichtbar und spürbar. Das erste Klischee bestätigte sich gleich – von der typischen Konzern-Leute Anzug-Kleidung mit Assistenz und Zweit-Assistenz, war im Startup nichts mehr zu sehen. Agile, Scrum, keine klassischen Powerpoints mehr – das stand an der Tagesordnung. Oder wie Begle betonte: “There is no power, there is no point”.
“Der Wechsel war im gesamten unglaublich stark und shocking”, so Begle. “Wenn man merkt, dass man nach so vielen Jahren eigentlich nichts versteht..”

Und so steckte Begle seine ganzen Erfahrungen, viel Motivation und den Antrieb für neue Ansätze in den Aufbau des Startups Schindler Ahead. Das als digitaler Service für Aufzüge und Fahrtreppen zum Ziel hat, eine vollständige vernetzte Lösung für Notruf, Information und Instandhaltung zu bieten. Das erste MVP wurde nach drei Monaten gelauncht, dicht gefolgt vom ersten Rollout, weiterentwickelt, nach einem Jahr war der Verkaufsstart, nach drei Jahren brachte es erste Umsätze. Und heute ist das Produkt draußen. “Ein großer Vorteil war dabei, dass auf bestehende Kundendaten aus dem Konzern zugegriffen werden konnte, was die Geschwindigkeit erhöhte”, so Begle. Natürlich habe es dazwischen auch klassische Zeiten gegeben, in denen das Produkt gebaut wurde, Geld vernichtet wurde und noch keine Resultate geliefert wurden, das gehörte dazu, wie Begle anführt. 

Treffen verschiedenster Unternehmenskulturen 

Zusammengearbeitet hatte Schindler auch zuvor schon mit Startups und Spinoffs verschiedenster Universitäten. Es gab Höhenflüge und auch Probleme. Junge Unternehmen, die in eine Organisation kommen, die sehr starr und strukturiert ist, sei nicht immer einfach. Das liege aber nicht an den Startups, die meisten Großkonzerne befinden sich in der Diskrepanz, wüssten wenig anzufangen oder wie sie damit umgehen sollen. “Wie ein Generationenkonflikt zwischen Vater und Sohn eben”, so Begle. 

Komplett ausgegliedert aus der Konzernstruktur

Aufgestellt wurde das Startup zwar im Konzern, aber doch als eigene Gesellschaft. “Weil es sonst nicht zum Fliegen kommt, sondern aufgefressen wird von starren Strukturen”, wie Begle bekräftigt.

Nur eine komplette Ausgliederung macht die Innovation möglich. Dieser Überzeugung sind wir ganz klar.” so Begle. “Wir haben nur an den Vorsitzenden vom Verwaltungsrat direkt berichtet”. Sonst sind die Kontrollmechanismen vom Konzern viel zu stark. Aber genau mit dieser Unabhängigkeit würden sich auch viele Großunternehmen schwer tun. Ob das unabhängige Arbeiten lassen immer passend ist, hänge klarerweise von den Zielen ab. Der Ansatz funktioniere, wenn man wirklich etwas außerhalb des Kerngeschäftes des Unternehmens entwickeln möchte. Ansonsten kann ein Belassen innerhalb der Strukturen vorteilhafter sein, damit keine Konkurrenz zum Kerngeschäft entsteht. 

Zu Beginn weiß man auch nicht wohin der Weg und die Innovation führt. Denn auch bei Schindler Ahead haben wir schlussendlich Resultate erhalten, die wir nicht in den Schindler Konzern integrieren konnten, wodurch sich bei uns der ausgegliederte Ansatz bestätigt hat.

Austauschen & Netzwerken

Bei frischen Zimtschnecken und Kaffee ging es anschließend zum Austauschen und Netzwerken beim gemeinsamen Frühstück. Ein liebevoll angerichtetes Buffett von der Begeisterei erwartete die Besucher. Mit Kaffee und frischen Snacks bestückt, wurde das Gehörte reflektiert, überlegt, neue Ideen geschmiedet und nebenbei die Räumlichkeiten der Postgarage – genauer gesagt des Postgarage Innovation Hubs besichtigt.

 

Fotocredit: Frederick Sams
Filmcredit: Philip Breuß / Sams Fotografie